Baugenehmigung

Eine Baugenehmigung ist im öffentlichen Baurecht die von einer Bauaufsichtsbehörde ausgesprochene Genehmigung, eine bauliche Anlage zu errichten, zu ändern oder zu beseitigen.

Die Baugenehmigung ist ein begünstigender Verwaltungsakt mit drittbelastender Wirkung. Sie begünstigt den beschiedenen Bauherrn, belastet aber unter Umständen dessen Nachbarn.

Als sog. „baurechtliche Unbedenklichkeitserklärung“ stellt sie rechtsverbindlich fest, dass das Vorhaben nicht in Widerspruch zu Vorschriften steht, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (deklaratorische Wirkung). Auf die Erteilung besteht ein Anspruch. Bei der Zulassung von Ausnahmen und Befreiungen (§ 31 BauGB), die im Ermessen der Genehmigungsbehörde stehen, wirkt die Baugenehmigung zudem konstitutiv, d. h. rechtsbegründend.

 

Anspruch auf Erteilung

Nach herrschender Meinung kommt einem Grundeigentümer nach Art. 14 Abs. 1 GG das Recht zu, sein Grundstück zu bebauen (Baufreiheit).[2] Die Bebaubarkeit des Grundstücks ist jedoch nach allen Landesbauordnungen grundsätzlich von einer Baugenehmigung abhängig.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ist in den einzelnen bodenrechtlichen Bereichen unterschiedlich geregelt. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dessen Festsetzungen nicht widerspricht (§ 30 Abs. 1 BauGB). Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (Innenbereich) ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und wenn es eine bestimmte, dem Außenbereich zugewiesene Funktion hat, beispielsweise einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Außerdem muss jeweils die Erschließung gesichert sein.

Erfüllt das Vorhaben auch die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen, hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung.

Widerspricht ein Vorhaben den Festsetzungen eines Bebauungsplans, können von den Festsetzungen solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan selbst ausdrücklich vorgesehen sind (§ 31 Abs. 1 BauGB), etwa vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB). Von den Festsetzungen des Bebauungsplans, beispielsweise einem Bauverbot, kann unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB auch befreit werden. Die ausnahmsweise Erteilung einer Baugenehmigung steht in diesen Fällen im Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. Der Bauherr hat nur einen Anspruch darauf, dass die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt, nicht aber auf die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung.

Besteht infolge privater Rechte Dritter für den Bauherrn keine Möglichkeit zu bauen, fehlt ihm das rechtliche Interesse an einer Entscheidung über seinen Bauantrag.

 

Abgrenzung

Mit einem Vorbescheid wird auf Antrag (Bauvoranfrage) schon vor Einreichung des Bauantrags über einzelne baurechtliche Fragen des Bauvorhabens wie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit entschieden (sog. Bebauungsgenehmigung). Im Wege der Teilbaugenehmigung können einzelne Arbeiten, Bauteile oder Bauabschnitte bereits vor Erteilung der Baugenehmigung genehmigt werden.

 

Voraussetzungen der Genehmigung

Der schriftliche Bescheid wird vom Bauamt bzw. der Bauaufsichtsbehörde (veraltet Baupolizei) ausgefertigt und dem Bauherrn übermittelt, wenn das Vorhaben genehmigungsbedürftig und wenn es genehmigungsfähig ist.

 

Genehmigungsbedürftigkeit

Die Errichtung bestimmter baulicher Anlagen, insbesondere kleinerer Wohngebäude in Plangebieten, ist in vielen Landesbauordnungen von der Genehmigungspflicht freigestellt (Beispiel: Art. 57 BayBO) oder unterliegt nur dem Bauanzeigeverfahren.[6][7]

Die Einzelheiten sind in den Landesbauordnungen unterschiedlich geregelt.

 

Genehmigungsfähigkeit

Ein Vorhaben ist genehmigungsfähig, wenn

  • der Bauantrag vollständig ist (Bauzeichnungen, Baubeschreibung, Energiebilanz usw.),
  • das Vorhaben den im konkreten Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, insbesondere den bauplanungsrechtlichen Vorgaben und dem maßgeblichen Bauordnungsrecht. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit unterscheidet sich nach der Lage des zu bebauenden Grundstücks und der Art des Vorhabens im Innen-, Außen- und Planbereich. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde nur einen Ausschnitt besonders wichtiger Anforderungen, wie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit oder die Übereinstimmung mit einer örtlichen Gestaltungssatzung. Um die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften und bautechnischer Anforderungen müssen sich der Bauherr und die von ihm am Bau Beteiligten wie der Entwurfsverfasser eigenverantwortlich kümmern (Beispiel: Art. 59 BayBO).

 

Nachbarbeteiligung

Der Bauherr kann sich durch Unterschrift der Nachbarn auf der Bauvorlage deren ausdrückliche Zustimmung zu dem Bauvorhaben bestätigen lassen. Liegt die Einverständniserklärung eines Nachbarn nicht vor, kann die Baugenehmigung dennoch erteilt werden. Die Beteiligung der Nachbarn am Baugenehmigungsverfahren ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt: so werden in Baden-Württemberg grundsätzlich alle Nachbarn durch die jeweilige Gemeinde von einem vorliegenden Bauantrag informiert, während z. B. in Hessen eine Nachbarbeteiligung nur bei einer Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften vorgesehen ist. Der Nachbar kann, wenn er seine Rechte durch das Bauvorhaben beeinträchtigt sieht, Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen. Gemäß § 212a BauGB entfaltet der Widerspruch (und auch die Anfechtungsklage) des Nachbarn keine aufschiebende Wirkung. Der Bauherr kann also mit den Bauarbeiten beginnen, sobald er die Baugenehmigung erhalten hat. Will der Nachbar den Beginn der Bauarbeiten verhindern, etwa weil er der Auffassung ist, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, so muss er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen. Das Verfahren richtet sich nach § 80, § 80a VwGO. Verfahrensgegner ist nach dem Rechtsträgerprinzip der zuständige Verwaltungsträger. Der Bauherr ist beizuladen. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung, die den Nachbarn bei einem erfolglosen Antrag zum Schadensersatz verpflichten könnten, finden keine Anwendung.

Auch bei erteilter Zustimmung bleibt hingegen eine Zivilklage des Nachbarn gegen den Bauherrn möglich,[9] da das private Nachbarrecht der § 906 BGB ff. im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft wird.

 

Verfahren

Die Erteilung der Baugenehmigung bedarf unter Umständen der Zustimmung oder des Einvernehmens einer anderen Körperschaft, Behörde oder sonstigen Stelle, beispielsweise des Wasserwirtschafts-, Vermessungs-, Gesundheits- oder Straßenbauamts. Die Bauaufsichtsbehörde fordert diese Stellen dann unter Fristsetzung zu einer Stellungnahme auf. Die jeweilige Gemeinde muss zudem zum Bauantrag ihr gemeindliches Einvernehmen gemäß § 36 Baugesetzbuch erteilen, sofern nicht ein rechtsgültiger Bebauungsplan vorliegt und dieser eingehalten wird.

Die Baubehörde kann zur Klärung von Fragen des Bauvorhabens eine Bauverhandlung durchführen.

Die durch Verordnung festgelegte Gebühr ist nach Zustellung der Baugenehmigung zu entrichten. Vorschüsse sind möglich.

In Baden-Württemberg stellt die Erteilung der Baugenehmigung noch keine Baufreigabe dar. Erst mit der anschließenden Erteilung des Baufreigabescheins („roter Punkt“), welcher erteilt wird, wenn bestimmte weitere Formalitäten erfüllt werden (z. B. Benennung des Bauleiters), darf mit dem Bau tatsächlich begonnen werden.

 

Verhältnis zu anderen Gestattungsverfahren

Die Baugenehmigung ist vorhaben- und grundstücksbezogen. Im Genehmigungsverfahren wird das Vorhaben jedenfalls auf seine Übereinstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften geprüft. Für das Vorhaben können jedoch über das Baurecht hinaus auch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften beachtlich sein, die auch in einem besonderen Verfahren geprüft werden könnten. Aus dem jeweils anwendbaren Fachrecht ergibt sich, ob im Baugenehmigungsverfahren diese sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften mitgeprüft werden und eine Baugenehmigung erteilt wird oder ob in einem besonderen Zulassungsverfahren die baurechtlichen Anforderungen mitgeprüft werden und eine Genehmigung nach dem anderen Fachrecht ergehen soll.

Nicht anlagenbezogene Entscheidungen wie die personenbezogene Gaststättenkonzession sind von vornherein nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens.

 

Baugenehmigungsverfahren geht vor

Andere fachrechtliche Anforderungen werden im Baugenehmigungsverfahren mitgeprüft, d. h. das Baugenehmigungsverfahren ersetzt andere Zulassungsverfahren in Fällen des sog. aufgedrängten sonstigen öffentlichen Rechts, beispielsweise gem. Art 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG in Verbindung mit Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO bei baugenehmigungspflichtigen Maßnahmen an Baudenkmälern.

 

Baugenehmigungsverfahren ist verdrängt

  • Der Planfeststellungsbeschluss ersetzt die Baugenehmigung, § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (formelle Konzentration).
  • Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt die Baugenehmigung ein, § 13 BImschG.

 

Bauabnahme

Nach Fertigstellung des Bauwerks (bei großen Bauvorhaben auch zwischendurch, wie z. B. die Rohbauabnahme) sehen die (Landes-)Bauordnungen eine Bauabnahme bzw. Bauzustandsbesichtigung vor, deren Umfang der Bauaufsichtsbehörde überlassen ist. In vielen Bundesländern finden bei kleineren Bauvorhaben faktisch keine Abnahmen mehr statt. Dennoch bleibt der Bauherr verpflichtet, alle Vorschriften selbstständig einzuhalten. Bei der Abnahme werden eventuelle Baumängel protokolliert, zu deren Beseitigung der Bauherr innerhalb einer festgelegten Frist verpflichtet ist.

Die Genehmigung ist an der Baustelle sichtbar anzubringen. Erst dann darf mit Erdaushub und Bauarbeiten begonnen werden. Der Baubeginn und das Bauunternehmen sind der Behörde zu melden.

Eine Baugenehmigung wird nach einer bestimmten Zeit ungültig, wenn mit dem Bau nicht begonnen wird. Verlängerungen sind teilweise möglich. Eine Abweichung von genehmigten Plänen bedarf der erneuten Zustimmung der Behörde (sog. Tekturgenehmigung). Näheres regeln die entsprechenden Landesbauordnungen.

Das Bauen ohne Baugenehmigung und andere Verstöße gegen das Bauordnungsrecht können nach den Landesbauordnungen als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden.

 

Rechtsschutz

 

Bauherr

Sollte die Baugenehmigungsbehörde eine Baugenehmigung, der Auffassung des Bauherren nach, zu Unrecht nicht erteilen, so kann der Betroffene vor dem Verwaltungsgericht auf die Erteilung der Baugenehmigung klagen. Zuvor muss er jedoch bei der Behörde gegen den Ablehnungsbescheid binnen eines Monats Widerspruch einlegen (in Bayern und NRW muss sofort Klage erhoben werden, da dort das Widerspruchsverfahren u. a. für das Baugenehmigungsverfahren abgeschafft wurde, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO). Ergeht nach einiger Zeit der Widerspruchsbescheid, so kann der Betroffene innerhalb eines Monats Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Hat er Erfolg, so verurteilt das Verwaltungsgericht die Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der Baugenehmigung.

 

Nachbar

Hat der Nachbar dem Bauvorhaben nicht zugestimmt, kann er unter bestimmten Voraussetzungen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung anfechten. Dazu reicht es aber nicht aus, dass die Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt. Vielmehr ist es erforderlich, dass die Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorliegt, die gerade darauf abzielen, den jeweiligen Nachbarn individuell zu schützen. Anerkannte drittschützende Vorschriften sind z. B. die landesbaurechtlichen Vorschriften über die Grenz- bzw. Gebäudeabstände, das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot sowie in überplanten Bereichen die Wahrung der Gebietsart (ebenso im unbeplanten Innenbereich, dessen Eigenart der näheren Umgebung einem Baugebiet der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB).

Kann sich der Nachbar auf eine solche drittschützende Norm berufen, so muss er zunächst Widerspruch bei der Baugenehmigungsbehörde einlegen (in Bayern muss er sogleich Klage zum Verwaltungsgericht erheben, Art. 15 Abs. 2 AGVwGO). Hat der Widerspruch keinen Erfolg, so kann der Nachbar vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage gegen die erteilte Baugenehmigung erheben (Drittanfechtungsklage). Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben jedoch keine aufschiebende Wirkung (§ 212a BauGB). Droht deshalb die Bauausführung, bevor über den Rechtsbehelf des Nachbarn entschieden ist, so kann der Nachbar die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bzw. seiner Klage beim Verwaltungsgericht beantragen (§ 80a Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO).

 

Bestandsschutz

Wie jedem Verwaltungsakt kommt auch der Baugenehmigung Tatbestandswirkung zu. Ein rechtmäßig errichtetes Gebäude genießt daher Bestandsschutz, auch gegenüber nachträglichen Änderungen des maßgeblichen Baurechts.

Ein ohne Baugenehmigung errichtetes Gebäude (Schwarzbau) ist im Nachhinein regelmäßig nicht genehmigungsfähig. Möglich ist in wenigen Fällen jedoch die Legalisierung durch nachträgliche Bauleitplanung, etwa den Erlass einer Außenbereichssatzung gem. § 35 Abs. 6 BauGB.

Der Erlass einer Abrissverfügung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörden, dessen Ausübung die Verwaltungsgerichte gem. § 114 VwGO überprüfen.

 

Quelle: Wikipedia