Digital oder Original? Einsichtsrecht bei Betriebskostenabrechnungen im Gewerbemietrecht – OLG Schleswig zur Nicht-Anwendung von § 556 Abs. 4 BGB

11. September 2025 -

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hatte in seinem Urteil vom 18.07.2025 (Az. 12 U 73/24) über die Rechte und Pflichten bei der Belegeinsicht in einem Gewerbemietverhältnis zu entscheiden. Konkret verlangte ein gewerblicher Mieter Einsicht in die Originalbelege einer Betriebskostenabrechnung. Der Vermieter (Klägerin) hatte stattdessen digitale Kopien der Abrechnungsbelege bereitgestellt und die Zahlung einer Nachforderung eingeklagt. Der Mieter berief sich darauf, die Zahlung zurückzubehalten (Zurückbehaltungsrecht), bis ihm die Originalbelege zur Prüfung vorgelegt würden. Das Landgericht Itzehoe hatte der Beklagten (Mieterin) Recht gegeben und die Klage mangels Belegeinsicht vorläufig abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte die Vermieterin Berufung ein – mit Verweis auf eine neue Gesetzeslage seit 01.01.2025, die Vermietern erlaube, Belege elektronisch bereitzustellen.

Das OLG Schleswig wies die Berufung zurück und bestätigte: Auch nach Inkrafttreten des § 556 Abs. 4 BGB (neue Fassung) kann ein Gewerbemieter weiterhin Einsicht in Originalbelege verlangen. Die Klägerin/Vermieterin blieb damit erfolglos; die Zurückbehaltung der Zahlung durch die Mieterin war gerechtfertigt. Im Ergebnis muss die Vermieterin also zunächst die Belege im Original vorlegen, bevor sie die Zahlung der strittigen Betriebskosten verlangen kann. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde vom OLG nicht zugelassen.

Gesetzesänderung 2025: Digitalisierte Belegeinsicht im Wohnraummietrecht

Zur Einordnung: Zum 01.01.2025 trat eine wichtige Neuregelung im Wohnraummietrecht in Kraft. Durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz wurde § 556 BGB um einen neuen Absatz 4 ergänzt.

  • § 556 Abs. 4 Satz 1 BGB (neu) kodifiziert jetzt ausdrücklich das Recht des Mieters, Einsicht in die der Betriebskostenabrechnung zugrunde liegenden Belege zu verlangen. Dieses Einsichtsrecht bestand zuvor bereits auf Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und § 259 BGB, wie die Rechtsprechung – insb. der BGH – seit Jahren anerkannt hatte. So hatte etwa der BGH 2021 entschieden, dass das Einsichtsrecht sich grundsätzlich auf die Originalbelege erstreckt, ohne dass der Mieter ein besonderes Interesse darlegen muss. Nur ausnahmsweise genügten Kopien, wenn dem Vermieter Originale gar nicht vorlägen. Dieses Prinzip („Originaleinsicht“) wurde nun gesetzlich festgeschrieben.
  • § 556 Abs. 4 Satz 2 BGB (neu) räumt dem Vermieter das Recht ein, Abrechnungsbelege auch elektronisch bereitzustellen, anstelle der Vorlage von Papierbelegen. Damit durchbricht der Gesetzgeber den bisherigen Grundsatz, wonach der Vermieter exakt die Form der Belege vorlegen musste, die ihm selbst vorliegt. Bis Ende 2024 galt: Hat der Vermieter Papierbelege erhalten, muss er dem Mieter Einsicht in diese Original-Papierbelege gewähren; hat der Vermieter jedoch von Anfang an nur digitale Belege erhalten, so durften diese als „Originale“ behandelt und dem Mieter elektronisch zugänglich gemacht werden. Ab 1.1.2025 ist der Vermieter nun berechtigt, auch ursprünglich analoge Belege eingescannt und digital zur Einsicht bereitzustellen. Dieses elektronische Bereitstellen erfüllt fortan die Pflicht zur Belegeinsicht gleichwertig wie eine physische Einsichtnahme. Wichtig: Es handelt sich um eine Option, keine Pflicht – Vermieter dürfen, müssen aber nicht elektronisch bereitstellen. Ebenso bleibt dem Mieter grundsätzlich das Recht auf Belegeinsicht erhalten – nur die Form der Einsicht kann der Vermieter jetzt auswählen (Papieroriginal oder elektronische Bereitstellung).

Ziel der Neuregelung ist es, das „mietrechtliche Leben“ zu vereinfachen und der fortschreitenden Digitalisierung Rechnung zu tragen. Die Gesetzesbegründung führt aus, es sei nicht mehr zeitgemäß, in Zeiten weitgehender Digitalisierung auf Papieroriginalen zu beharren, insbesondere wenn Vermieter ihre Verwaltung auf ein papierloses Büro umstellen wollen. Die elektronische Bereitstellung soll Bürokratieaufwand reduzieren, den Parteien Wege ersparen (Belegeinsicht am Geschäftssitz des Vermieters entfällt im Idealfall) und Ressourcen schonen.

Für Wohnraummieter bedeutet dies: Fordern sie Belegeinsicht, darf der Vermieter ihnen statt eines Aktenordners mit Originalbelegen nun z.B. PDF-Dateien per E-Mail übersenden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Mieter überhaupt Zugang zur digitalen Welt hat – verfügt ein Mieter nachweislich weder über Internet noch E-Mail, muss der Vermieter weiterhin eine Einsicht vor Ort oder in Papierform ermöglichen. Der Gesetzgeber wollte niemanden ohne Internetanschluss benachteiligen: Für rund 5 % der Bevölkerung („Offliner“) bleibt es bei den bisherigen Möglichkeiten, etwa Einsichtnahme am Geschäftsraum des Vermieters oder Zusendung von Kopien gegen Kostenerstattung. Verweigern kann ein digital versierter Mieter die elektronische Belegeinsicht nur ausnahmsweise, nämlich wenn besondere Gründe vorliegen – eine grundlose Weigerung würde als Rechtsausübung nach § 242 BGB oder als Schikane (§ 226 BGB) unzulässig sein. Im Normalfall wird also ein Mieter, der E-Mails nutzt, die Übersendung elektronischer Belege akzeptieren müssen.

Datenschutz: Die Neuregelung erwähnt den Datenschutz nicht ausdrücklich. Es bleibt bei den bisherigen Grundsätzen, dass z.B. schützenswerte personenbezogene Daten Dritter (etwa Namen anderer Mieter auf Abrechnungsbelegen) unkenntlich gemacht werden müssen. Hier hat § 556 Abs. 4 BGB keine Änderung gebracht; Vermieter müssen beim Bereitstellen von Belegkopien – ob digital oder analog – weiterhin datenschutzrechtliche Vorgaben beachten (dies wurde in der Gesetzesbegründung auch betont).

Zusammengefasst hat sich im Wohnraummietrecht ab 2025 die Rechtslage geändert: Wohnungsmieter können nach wie vor alle Belege der Nebenkostenabrechnung einsehen, müssen aber nun damit rechnen, diese in elektronischer Form zur Verfügung gestellt zu bekommen. Ein Anspruch auf Papier-Originale besteht für Wohnraummieter seither nicht mehr, sofern der Vermieter sein Recht auf elektronische Bereitstellung ausübt. Für Vermieter von Wohnraum ist dies eine Erleichterung: Sie können ihre Unterlagen einscannen und digital versenden, anstatt zeitaufwendig persönliche Termine zur Einsichtnahme zu organisieren oder Kopien zu machen – natürlich immer vorbehaltlich, dass der Mieter digital erreichbar und dem gewachsen ist.

Gilt die Neuregelung auch für Gewerberaummietverhältnisse?

Ein Knackpunkt und Kern des OLG-Falles ist die Frage, ob diese neue Vorschrift – § 556 Abs. 4 BGBauch im Gewerbemietrecht Anwendung findet. Gesetzlich ist das nicht automatisch der Fall, denn das BGB unterscheidet strikt zwischen Wohnraum- und Gewerbemiete. § 556 BGB gehört zu den Vorschriften, die ursprünglich nur Wohnraum betrafen. Ob und welche Regeln des Wohnraummietrechts auf Gewerberaummietverträge anwendbar sind, bestimmt § 578 BGB. Dieser enthält eine abschließende Liste von Normen, die entsprechend auch für Geschäftsraummietverhältnisse gelten (z.B. bestimmte Kündigungsvorschriften, Mieterrechte bei Modernisierung etc.).

Wichtig: § 556 BGB war und ist in § 578 BGB nicht aufgeführt. Das bedeutet, keine der Regelungen über Betriebskosten in § 556 BGB (wie Abrechnungsfrist, formelle Anforderungen etc.) gilt unmittelbar im Gewerbemietrecht, solange die Parteien nicht selbst vertraglich ähnliches vereinbart haben. Dies ist gefestigte Rechtsprechung: Der Bundesgerichtshof hat schon 2010 klargestellt, dass § 556 BGB im Gewerberaummietverhältnis keine Anwendung findet – auch nicht analog. Insbesondere die in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB normierte 12-Monats-Abrechnungsfrist für Nebenkosten gilt nicht für gewerbliche Mietverträge; der Vermieter von Gewerberaum kann also grundsätzlich auch später abrechnen, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Ebenso ist der Katalog umlagefähiger Betriebskosten (§ 2 BetrKV) bei Gewerberaum nur bindend, wenn die Parteien ihn vertraglich einbeziehen – gesetzlich begrenzt § 556 BGB die umlagefähigen Kostenarten in Gewerbemiete nicht. All das folgt daraus, dass der Gesetzgeber Gewerbemieter als weniger schutzbedürftig einstuft und ihnen mehr Vertragsfreiheit zubilligt als Wohnraummietern.

Was ist mit dem Belegeinsichtsrecht? – Interessanterweise war dieses Recht bislang im Gesetz für Wohnraum ebenfalls nicht expressis verbis geregelt (bis Ende 2024 ergab es sich nur aus § 259 BGB i.V.m. § 242 BGB und einer alten Vorschrift für preisgebundene Wohnungen). Trotzdem hatte die Rechtsprechung anerkannt, dass auch Gewerbemieter ein Einsichtsrecht in die Abrechnungsbelege haben, um die Nebenkostenabrechnung überprüfen zu können – häufig gestützt auf allgemeine Grundsätze von Treue und Glauben sowie den § 259 BGB (Rechenschaftspflicht bei Herausgabepflichten). In der Praxis wurde also vor 2025 kein Unterschied gemacht: Mieter – egal ob Wohn- oder Gewerberaum – konnten vom Vermieter Einsicht in die Belege verlangen, im Zweifel durch Einsichtnahme vor Ort oder durch Übersendung von Kopien (letzteres ggf. gegen Kostenerstattung). Und gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung durfte der Mieter die Einsicht in der Form fordern, in der dem Vermieter die Belege selbst vorliegen: Papieroriginale, sofern vorhanden, oder digitale Originale, wenn der Vermieter seinerseits nur digitale Belege erhalten hat. Scans oder Kopien genügten nur dann, wenn Originale nicht existierten oder wenn der Mieter ausnahmsweise darauf verwiesen werden konnte.

Nun bringt § 556 Abs. 4 BGB n.F. das Einsichtsrecht ins Gesetz, aber formal zunächst nur für Wohnraummietverhältnisse. § 578 BGB wurde im Zuge der Reform zwar ebenfalls geändert, allerdings nicht dahingehend, dass § 556 Abs. 4 BGB auf Gewerberaum erstreckt würde. Der Gesetzgeber hat in § 578 Abs. 1 BGB zum 01.01.2025 lediglich eine andere Neuerung aufgenommen (die Umstellung von Schriftform auf Textform bei langfristigen Gewerbemietverträgen), ohne § 556 Abs. 4 BGB zu erwähnen. Keine Verweisungsnorm bedeutet: § 556 Abs. 4 BGB findet auf Gewerbemietverträge keine unmittelbare Anwendung.

Analogie und unterschiedliche Ansichten in der Literatur

Wenn das Gesetz schweigt, kommt theoretisch eine analoge Anwendung in Betracht – vorausgesetzt, es besteht eine planwidrige Regelungslücke und die Sachlage ist vergleichbar. Hier fragte sich also: Hat der Gesetzgeber „vergessen“ oder bewusst darauf verzichtet, das digitale Belegeinsichtsrecht auch Gewerbemietern zu gewähren?

  • Eine Ansicht (u.a. vertreten in einem Teil der juristischen Literatur) befürwortet eine Analogie zugunsten des Vermieters: Danach solle auch im Gewerbemietrecht gelten, dass der Vermieter dem Mieter statt Originalen nur digitale Belegeinsicht gewähren muss. Als Argument wird angeführt, ein Gewerbemieter sei typischerweise noch weniger schutzbedürftig als ein Wohnraummieter – wenn also schon Wohnraummieter das elektronische Format hinzunehmen hätten, müsse dies erst recht für Gewerbemieter gelten (Stichwort „argumentum a fortiori“, vom Größeren aufs Kleinere). Außerdem könnte man meinen, der Gesetzgeber habe möglicherweise nicht ausdrücklich an § 578 BGB gedacht, sodass eine Lücke vorliegt, die im Sinn der neuen Digitalisierungsregel zu schließen ist.
  • Die Gegenansicht (von anderen Stimmen in der Literatur und nun vom OLG Schleswig geteilt) lehnt eine Analogie ab. Begründung: Es gibt keine planwidrige Lücke, sondern eher Anzeichen für Absicht. Der Gesetzgeber hat bewusst entschieden, § 556 Abs. 4 BGB nicht auf die Gewerbemiete zu erstrecken. Indizien: Zum einen fehlt – wie erwähnt – jegliche Verweisung in § 578 BGB. Zum anderen wurde § 578 im selben Gesetzgebungsverfahren an anderer Stelle geändert, ohne das Thema Belegeinsicht zu erwähnen. In der offiziellen Begründung (BT-Drucksache 20/11306, S. 100) wurde sogar explizit nur die elektronische Belegeinsicht für Wohnraum erörtert, während für Gewerberaum keine Änderung vorgeschlagen wurde. Das deutet darauf hin, dass keine „versehentliche“ Gesetzeslücke vorliegt, sondern eine bewusste Beschränkung auf Wohnraum.

Das OLG Schleswig betont überdies, gegen eine Analogie im Gewerbemietrecht spreche maßgeblich der Charakter des § 578 BGB als abschließende Aufzählung der anwendbaren Wohnraumnormen. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Regelungen (wie etwa die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 BGB) bewusst nicht auf Gewerbemietverträge erstreckt hat, dann könne man schwerlich über eine Analogie diese Entscheidung unterlaufen. Schließlich habe der Gesetzgeber die Vertragsparteien im Gewerberaum in vielen Punkten ihrer Privatautonomie überlassen – beispielsweise gibt es keine gesetzliche Frist zur Nebenkostenabrechnung, was nahelegt, dass man gewerbliche Parteien eigenverantwortlich handeln lässt. Ebenso könne man davon ausgehen, dass der Gesetzgeber es den Gewerbemietparteien selbst überlassen wollte, die Art der Belegeinsicht vertraglich zu regeln, sofern gewünscht. Faktisch war es ja bereits vor 2025 möglich, im Gewerbemietvertrag z.B. zu vereinbaren, dass Belege nur elektronisch bereitgestellt werden. Eine analoge Gesetzesanwendung gegen den klaren Wortlaut würde diese Vertragsfreiheit unnötig einschränken.

Praxishinweis: Vermieter und Mieter von Gewerberaum konnten – und können – vertraglich eigene Abreden treffen, wie Belegeinsicht zu erfolgen hat. Sie können etwa im Mietvertrag festhalten, dass der Mieter mit E-Mail-Versand von Belegkopien zufrieden sein muss, oder umgekehrt ein Recht auf physische Einsichtnahme vereinbaren. Solche Vereinbarungen sind zulässig, solange keine gesetzlichen Verbote greifen (für Wohnraum wäre z.B. eine Vertragsklausel, die das Einsichtsrecht ausschließt, nach neuer Rechtslage wegen § 556 Abs. 5 BGB unwirksam, doch interessanterweise hat der Gesetzgeber in Abs. 5 den neuen Abs. 4 gar nicht erwähnt – vermutlich ein Redaktionsversehen). Im Gewerbemietrecht hingegen besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit; hier könnten die Parteien sogar vereinbaren, dass gar keine Belegeinsicht erfolgt. Allerdings ist davon aus Beweisgründen abzuraten – Gewerbemieter sollten stets ein Einsichtsrecht verlangen, und Vermieter laufen ohne Einsichtsmöglichkeit Gefahr, dass ihre Abrechnung im Streitfall kaum überprüfbar ist.

Entscheidung des OLG Schleswig: Kein digitales „Privileg“ für Vermieter im Gewerbemietrecht

Vor diesem gesamten Hintergrund hat das OLG Schleswig (12. Zivilsenat) in seinem Urteil klar Position bezogen:

  • § 556 Abs. 4 BGB (digitales Belegeinsichtsrecht) ist im Gewerberaummietverhältnis nicht direkt anwendbar, mangels Verweisung in § 578 BGB.
  • Eine analoge Anwendung zugunsten des Vermieters lehnt das Gericht ab. Es erkennt keine unbewusste Regelungslücke, sondern vielmehr die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, Gewerbemietparteien eigenständig zu lassen. Insbesondere überzeugt das Gericht das „Erst-recht“-Argument nicht: Der geringere Schutz von Gewerbemietern rechtfertigt nicht automatisch eine Einschränkung ihrer Rechte, solange der Gesetzgeber dies nicht vorgesehen hat. Im Gegenteil – § 578 BGB listet exhaustiv auf, welche Wohnraumvorschriften entsprechend gelten sollen. § 556 Abs. 4 BGB gehört nicht dazu, also soll er auch nicht durch die Hintertür im Gewerbemietrecht installiert werden.
  • Der Vermieter bleibt daher verpflichtet, einem Gewerbemieter Einsicht in die Originalbelege zu gewähren, sofern solche im Original (Papier) vorliegen. Hat der Vermieter nur digitale Originale, genügt natürlich deren Vorlage. Aber: Im konkreten Fall hatte der Vermieter Papierbelege, die er lediglich eingescannt und elektronisch versandt hatte. Hier sagt das OLG: Das reicht nicht. Die Beklagte durfte darauf bestehen, die echten Papierbelege einzusehen, weil der Vermieter diese besaß und ihr nach bisheriger Rechtslage auch hätte vorlegen müssen. Die neue Gesetzeslage 2025 ändert daran für Gewerberaum nichts. Das OLG führt zur Untermauerung aus, dass bereits bisher nach BGH-Rechtsprechung der Mieter Einsicht in der Form verlangen konnte, wie dem Vermieter die Belege vorliegen. Digitale Kopien sind also kein vollwertiger Ersatz, solange der Vermieter die Originale im Schrank hat. Die Zumutbarkeit der Einsicht in Originale ist für einen Vermieter gegeben – erst recht, da er zum Zeitpunkt der Abrechnung (hier wohl 2023) ohnehin damit rechnen musste, diese auf Verlangen vorzulegen. Die spätere Gesetzesänderung „entlastet“ ihn nicht nachträglich davon.
  • Kein Rückwirkungseffekt der Neuregelung: Selbst wenn man zugunsten des Vermieters eine analoge Anwendung in Betracht gezogen hätte, so das OLG, würde diese frühestens für Abrechnungen gelten, die nach Inkrafttreten des Gesetzes (also ab 2025) erteilt werden. Für bereits zuvor erstellte Betriebskostenabrechnungen – und darauf bezog sich das Einsichtsverlangen hier – bliebe es bei altem Recht. Es fehlt nämlich an einer Übergangsregelung, die eine sofortige Geltung auch für bereits laufende Verträge oder zurückliegende Abrechnungsperioden anordnet. Nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts (Art. 171 EGBGB und vertragsrechtlichem Vertrauensschutz) sind Dauerschuldverhältnisse, die bereits bestehen, nach der bisherigen Rechtslage zu behandeln, solange der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt. Die neue Vorschrift würde daher nicht rückwirkend auf eine Abrechnung aus dem Jahr 2023/24 angewendet, selbst wenn sie analog im Gewerbemietrecht gelten könnte. Entscheidend sei – so das OLG – die Rechtslage zum Zeitpunkt, zu dem der Mieter sein Zurückbehaltungsrecht erstmals geltend gemacht hat. In diesem Moment (hier vor dem 1.1.2025) durfte der Mieter nach alter Rechtslage auf Einsicht in Originalbelege bestehen. Dieses Verteidigungsrecht des Mieters kann ihm nicht nachträglich durch Gesetzesänderung entzogen werden, ohne dass der Gesetzgeber dies eindeutig angeordnet hätte. Andernfalls würde dies zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen und den Vermieter im Nachhinein „ungerechtfertigt entlasten“, obwohl er zuvor jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, durch ordnungsgemäße Belegeinsicht das Problem zu lösen. Die Annahme einer solchen – im Juristendeutsch – „unechten Rückwirkung“ zu Lasten des Mieters lehnte das Gericht ab. Fazit im Fall: Die Klage der Vermieterin blieb (vorläufig) unbegründet, da das Zurückbehaltungsrecht der Mieterin wegen verweigerter Originalbelegeinsicht zu Recht bestand.

Folgen und Praxistipps für Mieter und Vermieter

Für Wohnraummieter und -vermieter: Hier ist die Sachlage nun klar durch § 556 Abs. 4 BGB geregelt. Mieter haben weiterhin Anspruch darauf, die Belege ihrer Nebenkostenabrechnung einzusehen – entweder als digitale Kopien oder auf traditionelle Weise. Vermieter können das Verfahren flexibler gestalten, indem sie Belege z.B. als PDF bereitstellen. Streitpunkte könnten sich künftig allenfalls daraus ergeben, wie die digitale Bereitstellung erfolgt (Format, Lesbarkeit, Zugangsdaten etc.). Wichtig ist, dass die Unterlagen für den Mieter verständlich und prüfbar sind. So wird z.B. empfohlen, maschinenlesbare Formate (wie reine XML-Dateien) nur in Kombination mit menschenlesbaren Aufbereitungen zu versenden. Vermieter sollten zudem Rücksicht nehmen, wenn ein Mieter technisch nicht versiert ist oder keinen Internetzugang hat – hier sollte man kulant bleiben und notfalls doch einen Einsichtstermin vor Ort oder Papierkopien anbieten. Rechtlich verpflichtet sind Vermieter dazu zwar nur in Sonderfällen, aber im Sinne eines guten Mietverhältnisses kann kooperatives Verhalten teuerem Streit vorbeugen.

Für Gewerbemieter: Das Urteil des OLG Schleswig stärkt Ihre Position. Als gewerblicher Mieter können Sie weiterhin auf Einsicht in Originalbelege bestehen, sofern der Vermieter die Abrechnungsunterlagen im Original besitzt. Lassen Sie sich also nicht vorschnell auf eine reine Digital-Einsicht verweisen, wenn Sie Bedenken haben. Prüfen Sie Ihren Mietvertrag: Wurde dort vereinbart, dass Belegeinsicht nur elektronisch erfolgen soll? Wenn nein, dürfen Sie die Vorlage der tatsächlichen Rechnungen, Belege, Verträge etc. verlangen, um die Nebenkostenabrechnung im Detail nachzuvollziehen. Gerade bei höheren Nebenkostenbeträgen (was bei Gewerbeobjekten häufig der Fall ist) lohnt sich die genaue Prüfung. Sie haben das Recht, die laufenden Nebenkostenvorauszahlungen in angemessenem Umfang zurückzubehalten, bis der Vermieter sein Einsichts-Pflicht erfüllt. Dieses Zurückbehaltungsrecht ist ein effektives Druckmittel: Solange Sie nicht ordnungsgemäß Einsicht nehmen konnten, muss der Vermieter eine Nachzahlung nicht erwarten bzw. kann die Vorauszahlungen nicht erfolgreich einklagen. Vorsicht: Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht missbräuchlich oder unverhältnismäßig ausgeübt werden – in der Regel beschränkt es sich auf die entsprechenden Betriebskostenteile. Außerdem sollten Sie dem Vermieter Ihr Verlangen klar und nachweisbar mitteilen und ihm Gelegenheit geben, die Belegeinsicht zu gewähren, bevor Sie Zahlungen kürzen.

Für Gewerbevermieter: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die neue Gesetzesregelung Ihnen im Gewerbemietbereich automatisch zugutekommt. Das OLG Schleswig macht deutlich: Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung müssen Sie gegebenenfalls weiterhin Originalbelege vorlegen. Wenn Ihr Mieter – wie im entschiedenen Fall – nur dann zahlt, wenn er Einsicht in Papieroriginale bekommt, sollten Sie dem Wunsch entsprechen, um Eskalationen zu vermeiden. Weigern Sie sich und bestehen stur auf digitaler Übermittlung, laufen Sie Gefahr, Zahlungsrückstände zu provozieren, die gerichtlich nicht erfolgreich beigetrieben werden können (wie die zurückgewiesene Klage zeigt). Empfehlenswert ist es, proaktiv für Klarheit im Mietvertrag zu sorgen: Wollen Sie als Vermieter künftig ausschließlich digital abrechnen, sollten Sie dies im Vertrag fixieren. Eine mögliche Klausel könnte vorsehen, dass der Mieter mit der Zusendung von Abrechnungsbelegen per E-Mail einverstanden ist und kein Anspruch auf Einsicht in physische Originale besteht. Da Gewerbemietrecht dispositiv ist, wäre eine solche Abrede zulässig – allerdings muss sie ausreichend klar formuliert und vom Mieter im Rahmen der Vertragsfreiheit akzeptiert sein. Achtung: Sollten Sie eine solche Klausel einführen, achten Sie darauf, dem Mieter dennoch eine Prüfung der Unterlagen zu ermöglichen (z.B. durch ausreichende Scan-Qualität, Vollständigkeit der Dateien etc.). Andernfalls könnte der Mieter argumentieren, ihm werde eine effektive Kontrolle vereitelt, was im Streitfall zu Ihren Lasten gehen könnte.

Ausblick: Es bleibt abzuwarten, ob noch weitere Obergerichte oder der Bundesgerichtshof sich mit dieser Frage befassen werden. Das OLG Schleswig hat die Revision nicht zugelassen, was bedeutet, dass in diesem konkreten Fall kein höchstrichterliches Urteil ergehen wird. Allerdings könnte in Zukunft erneut ein Gewerbevermieter versuchen, die analoge Anwendung von § 556 Abs. 4 BGB durchzusetzen. Bis dahin schafft das vorliegende Urteil eine gewisse Orientierung: Die Tendenz geht dahin, die Rechte der Gewerbemieter in puncto Belegeinsicht nicht durch die Hintertür zu beschneiden. Gerade weil Gewerbemieter keine starre Abrechnungsfrist und weniger formelle Schutzvorschriften haben, ist ihre Möglichkeit, Belege im Original anzusehen, ein wichtiges Korrektiv. Dieses behalten sie – Stand jetzt – vollumfänglich.

Durch die Reform 2025 hat der Gesetzgeber die Belegeinsicht im Wohnraummietrecht modernisiert und den Elektronik-Weg freigemacht. Im Gewerbemietrecht gilt diese Modernisierung jedoch nicht automatisch. Hier herrscht weiterhin Vertragsfreiheit und die bisherige Rechtslage fort. Vermieter sollten das Urteil des OLG Schleswig ernst nehmen und ihre Praxis entsprechend anpassen. Mieter – ob Wohn- oder Gewerbe – sollten ihre Rechte kennen: Wohnraummieter können nun digital zur Kasse gebeten werden, Gewerbemieter dürfen sich im Zweifel das Original zeigen lassen. In jedem Fall dient das Einsichtsrecht dem Transparenzgebot: Nur wer die tatsächlichen Kostenbelege kennt, kann eine Nebenkostenabrechnung sachgerecht prüfen und etwaige Einwände fundiert erheben. Daher sollte dieses Recht weder unterlaufen noch unnötig erschwert werden – im Interesse eines fairen Mietvertragsverhältnisses.