Bei einem Ferienwohnungsprojekt in Schleswig-Holstein sollten alle Ferienwohnungen in den ersten zehn Jahren ausschließlich über einen einzigen Vermittler an Feriengäste vermietet werden. Die Projektentwicklungsgesellschaft schloss dazu vorab einen Vermittlungsvertrag mit einer Agentur – fest für zehn Jahre – im Namen der zukünftigen Wohnungseigentümer. Mit dem Kauf ihrer Ferienwohnung traten die Käufer automatisch diesem Vermittlungsvertrag bei. Als ein Eigentümer dennoch vor Ablauf der zehn Jahre ordentlich kündigte, kam es zum Streit mit der Vermittlungsagentur: Der Eigentümer tauschte eigenmächtig die Schlösser aus und sperrte Buchungen für Eigennutzung, um seine Kündigung durchzusetzen. Während das Landgericht zunächst der Agentur Recht gab, bestätigte das Oberlandesgericht die Wirksamkeit der Kündigung – es verurteilte den Eigentümer lediglich zum Schadenersatz für entgangene Provisionen während der eigenmächtigen Nutzungsphase. Nun hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 13.11.2025 – Az. III ZR 165/24 – die Kündigungsschutzrechte der Eigentümer gestärkt und die vorzeitige Vertragsbeendigung für wirksam erklärt.
AGB-Kontrolle trotz Individualvereinbarung
Kern des Falls war die Frage, ob die zehnjährige Laufzeitklausel im Vermittlungsvertrag wirksam war oder einer Inhaltskontrolle nach AGB-Recht unterliegt. Zwar war der Vermittlungsvertrag ursprünglich individuell zwischen der Projektentwicklerin und der Vermittlungsagentur ausgehandelt worden. Jedoch betonte der BGH, dass selbst individuell vereinbarte Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen sein können, wenn an einem Vertrag mehr als zwei Parteien beteiligt sind. Entscheidend sei, dass die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von einem Vertragspartner (hier: der Projektentwicklerin bzw. Vermittlerin) gegenüber den anderen einheitlich verwendet wurde. Genau dies war hier der Fall: Der vorformulierte Vermittlungsvertrag sollte für rund 51 Wohnungskäufer gelten und war für die Käufer faktisch nicht verhandelbar, da er als wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzepts Voraussetzung für den Kauf war. Die Käufer hatten praktisch nur die Wahl, die Wohnung entweder gar nicht oder nur zusammen mit dieser Vertragsbindung zu erwerben. Damit waren die Erwerber einer einseitigen Gestaltungsmacht in gleicher Weise ausgeliefert wie bei klassischen AGB. Folglich unterwarf der BGH die streitige Klausel der AGB-Inhaltskontrolle.
Hinweis: Ob die Käufer hier Verbraucher im Sinne des § 13 BGB waren (und somit § 309 Nr. 9a BGB – Maximalbindung von 2 Jahren – direkt anwendbar wäre) oder als unternehmerisch handelnde Anleger galten, konnte der BGH offenlassen. Selbst wenn keine Verbrauchereigenschaft vorläge, müssten die Klauseln zumindest den Transparenz- und Zumutbarkeitsanforderungen des § 307 BGB genügen. Diese Anforderungen galten hier als Maßstab – und genau daran scheiterte die 10-Jahres-Bindung.
Unklare Laufzeitklausel: Widersprüche führen zur Unwirksamkeit
Der BGH stellte im Rahmen der Inhaltskontrolle erhebliche Widersprüche in der Laufzeit- und Kündigungsregelung des Vertrags fest. Einerseits sah der Vertrag eine feste Erstlaufzeit bis zum 2. Samstag 2020 vor, mit automatischer Verlängerung um jeweils zwei Jahre, sofern nicht sämtliche Wohnungseigentümer gemeinsam oder die Vermittlerin mit 7 Monaten Frist vor Laufzeitende kündigen. Andererseits war in derselben Klausel vereinbart, dass die Ferienwohnungen für die Dauer von 10 Jahren (gerechnet ab Inbetriebnahme der letzten Einheit) durch die Vermittlerin gebündelt vermietet werden müssen – frühestmögliches Vertragsende wäre somit der 2. Samstag 2027. Diese Regelungen passen nicht zusammen: Die eine Seite suggeriert eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit schon 2020, die andere Seite bindet starr bis 2027. Ein durchschnittlicher Wohnungskäufer konnte beim Vertragsschluss nicht klar erkennen, wie lange er wirklich gebunden ist – eine intransparente und widersprüchliche Vertragsgestaltung.
Der BGH wertete diese Unklarheit als Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit als unangemessene Benachteiligung der Käufer. Die Folge: Die gesamte Laufzeitklausel ist unwirksam. Ohne wirksame abweichende Laufzeitvereinbarung gilt der Vermittlungsvertrag als jederzeit ordentlich kündbar nach den gesetzlichen Vorschriften. Die vom Eigentümer ausgesprochene Kündigung zum Oktober 2022 war somit wirksam und beendete den Vertrag vorzeitig – eine Fortbindung bis 2027 konnte nicht verlangt werden.
Nebenbei wies der BGH auch darauf hin, dass eine analoge Anwendung der 5-Jahres-Höchstfrist für Erstverwalter gemäß § 26 WEG hier nicht greift. Die Vermittlungsagentur war kein WEG-Verwalter im technischen Sinne, da nicht alle Teileigentümer der Anlage Partei des Vertrags waren (Laden-/Gewerbeeinheiten waren ausgenommen) und der Vertrag nur teilweise typische Verwalteraufgaben umfasste. Käufer konnten sich daher nicht allein auf WEG-Recht berufen, sondern mussten auf die allgemeinen AGB-Regeln zurückgreifen.
Was bedeutet das für Wohnungseigentümer und Käufer?
Für Käufer von Ferienimmobilien oder anderen Grundstücken, die an vorgefertigte Vertragskonstruktionen (z.B. Vermietungs- oder Verwaltungsverträge) gebunden werden, liefert dieses Urteil wichtige Erkenntnisse:
- Vorformulierte Kauf-Nebenabreden = AGB: Auch wenn zusätzliche Verträge (Vermietungsservice, Verwaltung etc.) individuell ausgehandelt scheinen, können sie als AGB angesehen werden, sobald sie serienmäßig allen Käufern aufgezwungen werden. Käufer sollten wissen, dass sie solche Klauseln gerichtlich überprüfen lassen können.
- Lange Bindungsfristen sind angreifbar: Vertragsklauseln, die eine sehr lange Bindung ohne ausreichende Kündigungsmöglichkeit vorsehen (hier 10 Jahre), sind häufig unwirksam. Insbesondere Verbraucher dürfen per AGB nicht länger als 2 Jahre gebunden werden. Aber selbst in gewerblichen Kontexten müssen Laufzeitklauseln klar und verständlich sein – Intransparenz oder innere Widersprüche führen zur Nichtigkeit. Eigentümer können sich dann vorzeitig lösen.
- Rechtslage prüfen, bevor man selbst handelt: Im konkreten Fall wechselte der Eigentümer eigenmächtig die Schlösser, was zu Schadensersatz für entgangene Mieteinnahmen führte. Tipp: Bevor man einen langfristigen Vertrag auf eigene Faust „abbricht“, sollte man rechtlich prüfen (lassen), ob und ab wann eine Kündigung wirksam ist. Ist die Klausel unwirksam, kann regulär gekündigt werden – aber bis zur Klärung sollte man Vertragspflichten (z.B. Schlüsselüberlassung, Vermietungsmöglichkeiten) einhalten, um Schadenersatzforderungen zu vermeiden.
Was bedeutet das für Projektentwickler und Vermittler?
Für Projektentwickler, Bauträger und Vermittlungsunternehmen, die komplexe Vertragswerke in Immobilienprojekte integrieren, ergeben sich aus dem BGH-Urteil folgende Lehren:
- AGB-Kontrolle einplanen: Wenn eine Vertragsklausel gegenüber einer Vielzahl von Käufern verwendet wird, muss man damit rechnen, dass sie als AGB Es reicht nicht, dass der Vertrag mit einem Partner (z.B. einer Agentur) individuell ausgehandelt wurde. Entwickler sollten also bei vorformulierten Verträgen (z.B. Mietpool-, Pacht- oder Verwaltungsverträgen) die AGB-rechtlichen Grenzen beachten.
- Klare und faire Klauseln gestalten: Insbesondere Laufzeit und Kündigung sollten transparent und widerspruchsfrei geregelt sein. Widersprüchliche oder unklare Bestimmungen – etwa zugleich kurze Kündigungsfristen und starre Langzeitbindungen – halten einer gerichtlichen Kontrolle nicht stand. Besser ist es, moderate Bindungsdauern vorzusehen oder zumindest vertragliche Sonderkündigungsrechte für die Käufer einzubauen, um Unwirksamkeit zu vermeiden.
- Verbraucherrecht beachten: Ist die Käuferschaft hauptsächlich privat (Eigennutzer oder Kleinanleger ohne professionelle Vermietungsstruktur), sollten die strengen Verbraucherschutzregeln einkalkuliert werden. Eine Vertragsbindung von zehn Jahren verstößt regelmäßig gegen § 309 Nr. 9a BGB (max. 2 Jahre) und wäre bei Verbrauchern unwirksam. Versuchen, Käufer als „gewerblich“ einzustufen, helfen nur begrenzt – im Zweifel werden Gerichte eher von Verbrauchereigenschaft ausgehen, wenn die Käufer selbst keine aktive gewerbliche Vermietungsleistung erbringen.
Der BGH schiebt überlangen und intransparenten Vertragsbindungen in Immobilienprojekten einen Riegel vor. Für Wohnungskäufer bedeutet das mehr Schutz: Unfaire zehnjährige Vermietungs- oder Verwaltungsbindungen lassen sich gerichtlich kippen. Für Projektentwickler heißt es hingegen, Vertragsklauseln mit Augenmaß zu gestalten – klar, verständlich und nicht übermäßig benachteiligend –, damit ihr Geschäftsmodell rechtssicher bleibt. Insgesamt stärkt das Urteil die Vertragsfreiheit der Käufer und erinnert daran, dass kreativ konstruierte Verträge im Immobilienbereich stets auf den Prüfstand des AGB-Rechts gestellt werden können.