In der Praxis kommt es häufig vor, dass Vermieter beim Verkauf einer vermieteten Immobilie durch einen Makler Innenaufnahmen der bewohnten Räume anfertigen und veröffentlichen lassen – etwa in Online-Inseraten oder Exposés. Dabei treffen hier die Vermarktungsinteressen von Eigentümern und Maklern auf die Privatsphäre der Mieter. Ein aktuelles Urteil des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 09.12.2025 bringt Klarheit in einem solchen Fall: Es bestätigt die datenschutzrechtlichen Auskunftspflichten des Maklers gegenüber Mietern und betont die Notwendigkeit einer Einwilligung der Bewohner für Innenraumfotos. Im Folgenden der Fall, die Gerichtsentscheidung sowie die wichtigsten Konsequenzen für Makler, Vermieter und Mieter.
Der Fall: Innenaufnahmen einer Mietwohnung sorgen für Ärger
Der Eigentümer einer vermieteten Doppelhaushälfte beauftragte für den geplanten Verkauf einen Makler mit der Erstellung eines Immobilien-Exposés. Mitarbeiter des Maklers fotografierten bei einem mit den Mietern abgestimmten Termin die Innenräume der noch bewohnten Haushälfte. Anschließend wurden diese Wohnungsfotos in einer Online-Verkaufsanzeige auf einem Immobilienportal veröffentlicht und auch in einem gedruckten Exposé an Kaufinteressenten verteilt.
Nachdem die Anzeige erschienen war, wurden die Mieter von verschiedenen Bekannten und sogar fremden Personen auf die Fotos ihrer Wohnräume angesprochen. Die Bewohner fühlten sich dadurch „demaskiert“ und bekamen ein mulmiges Gefühl des Beobachtetseins. Daraufhin verlangten sie vom Makler zum einen Auskunft darüber, welche personenbezogenen Daten in diesem Zusammenhang von ihnen verarbeitet wurden, und zum anderen Schmerzensgeld (immateriellen Schadenersatz) wegen Verletzung ihres Datenschutzes. Der Makler reagierte zunächst, indem er die Bilder umgehend wieder löschte und erklärte, es existierten keine weiteren Kopien. In erster Instanz wies das Landgericht Frankenthal die Klage der Mieter jedoch vollständig ab – mit der Begründung, die Mieter hätten den Makler ja hereingebeten und somit der Fotoerstellung stillschweigend zugestimmt. Gegen diese Entscheidung zogen die Mieter vor das OLG Zweibrücken.
Kernaussagen des Urteils (OLG Zweibrücken)
Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Mietern in Teilen Recht gegeben. Die wichtigsten rechtlichen Aussagen der Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Wohnungsfotos sind personenbezogene Daten: Bilder von bewohnten Räumen gelten als personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), da sie Rückschlüsse auf die Lebensumstände der Bewohner zulassen. Für die Verarbeitung solcher Fotos (Erstellung und Veröffentlichung) braucht es eine Rechtsgrundlage, typischerweise die Einwilligung der Betroffenen. Nutzt ein Makler derartige Aufnahmen ohne Einwilligung der Bewohner, kann dies einen DSGVO-Verstoß darstellen und Schadensersatzansprüche (Schmerzensgeld) der Mieter auslösen.
- Stillschweigende Einwilligung möglich: Die DSGVO schreibt keine schriftliche oder ausdrückliche Einwilligung vor; auch konkludente (stillschweigende) Zustimmung ist rechtlich wirksam. Im entschiedenen Fall waren die Mieter bei der Fototerminvereinbarung einverstanden und ließen den Makler freiwillig in ihre Wohnung, um die Aufnahmen zu machen. Nach Auffassung von LG und OLG liegt darin eine konkludente Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Bilder. Den Mietern war offenkundig, dass die Fotos zur Immobilienvermarktung dienen und Dritten zugänglich gemacht würden. Der Makler musste daher keine zusätzliche schriftliche Einwilligung vorweisen. Auch der Umstand, dass der Makler die Mieter nicht ausdrücklich über ihr Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO belehrt hatte, führte laut Gericht nicht zur Unwirksamkeit der Einwilligung – diese Belehrungspflicht sei zwar vorgesehen, stelle aber keine strikte Wirksamkeitsvoraussetzung dar.
- Auskunftspflicht des Maklers: Artikel 15 DSGVO gibt Mietern (als betroffenen Personen) ein Recht auf Auskunft darüber, welche personenbezogenen Daten ein Makler von ihnen erhebt, speichert und nutzt. Das OLG Zweibrücken betonte, dass der Makler den Mietern umfassend Auskunft erteilen muss, wie er mit ihren personenbezogenen Daten umgegangen ist. Konkret muss er z.B. angeben, welche Daten erhoben wurden, woher diese stammen, zu welchem Zweck und wie lange sie gespeichert wurden, ob ein Profil über die Personen erstellt wurde und ob die Daten automatisiert (ggf. unter Einsatz Künstlicher Intelligenz) verarbeitet wurden. Außerdem haben die Mieter Anspruch auf eine kostenlose Kopie der über sie gespeicherten Daten.
- „Negativauskunft“ bei gelöschten Daten ausreichend: Im vorliegenden Fall hatten die Mieter zwar grundsätzlich einen Auskunftsanspruch – dieser war jedoch bereits dadurch erfüllt, dass der Makler mitgeteilt hatte, die Fotos seien gelöscht worden und es existierten keine weiteren Kopien. Das OLG stellte klar, dass es rechtlich nur darauf ankommt, dass überhaupt Auskunft erteilt wurde – nicht unbedingt darauf, ob diese inhaltlich richtig oder vollständig ist. Die Mieter konnten also keine zusätzliche (erneute) Auskunft verlangen, nachdem der Makler ihnen die Löschung der Daten bestätigt hatte. Einen Nachweis für die Richtigkeit der Auskunft (etwa Belege für die tatsächliche Löschung) konnten die Mieter ebenfalls nicht verlangen, da insoweit kein Rechtsanspruch auf eine Überprüfung besteht.
- Kein Schmerzensgeld im konkreten Fall: Trotz des Datenschutzverstoß-Vorwurfs bekamen die Mieter in diesem Fall keinen Schadensersatz zugesprochen. Das Gericht verneinte einen immateriellen Schaden der Mieter. Zum einen wurde die Veröffentlichung der Fotos hier nicht als unrechtmäßig bewertet, weil die Mieter stillschweigend eingewilligt hatten, indem sie die Aufnahmen zuließen. Zum anderen konnten sie keinen greifbaren Nachteil nachweisen – ein allgemeines Unwohlsein oder „Demaskierungsgefühl“ allein reichte dem Gericht nicht als konkrete Beeinträchtigung aus. Ergebnis: Ohne fehlende oder unwirksame Einwilligung und ohne nachweisbaren Schaden besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld.
Rechtliche Konsequenzen für Makler, Vermieter und Mieter
Das Urteil des OLG Zweibrücken unterstreicht, dass selbst alltägliche Vorgänge wie Immobilienfotos datenschutzrechtliche Konsequenzen haben. Es dient als deutliche Warnung an Makler und Eigentümer (Verkäufer), die Privatsphäre der Bewohner ernst zu nehmen und eine Balance zwischen Vermarktungsinteresse und Persönlichkeitsschutz zu finden. Im Einzelnen ergeben sich folgende praxisrelevante Konsequenzen:
- Für Makler: Immobilienmakler müssen bei Fotos von bewohnten Objekten strikt die DSGVO beachten. Ohne vorherige Einwilligung der Mietparteien sollten keine Innenraumfotos aufgenommen oder veröffentlicht werden. Die bloße Zutrittserlaubnis der Mieter kann zwar als Einwilligung gewertet werden, doch sollten Makler sich nicht allein darauf verlassen. Es ist ratsam, sich eine ausdrückliche Zustimmung (am besten schriftlich) geben zu lassen und die Bewohner transparent über Zweck, Umfang und Veröffentlichung der Bilder zu informieren. Kommt es zur Anfrage eines Mieters, sind Makler verpflichtet, umfassend Auskunft über die Datenverarbeitung zu erteilen (siehe oben). Makler sollten außerdem dokumentieren, dass und wann eine Einwilligung erteilt wurde, um im Streitfall den Nachweis führen zu können. Verstöße gegen diese Pflichten können nicht nur zu Imageschäden, sondern auch zu rechtlichen Schritten der Mieter (bis hin zu Schadensersatzforderungen) führen.
- Für Vermieter/Eigentümer: Auch Immobilienverkäufer und Vermieter müssen Datenschutzbelange ernst nehmen. Beauftragen sie einen Makler, trägt zwar dieser primär die Verantwortung für die DSGVO-Konformität der Fotoaufnahmen – dennoch sollten Vermieter darauf hinwirken, dass nur mit Einwilligung der Bewohner fotografiert wird. Im Zweifel sollte der Eigentümer selbst das Gespräch mit den Mietern suchen und die Erlaubnis einholen, bevor ein Fotograf die Wohnung betritt. Das OLG-Urteil zeigt, dass die Privaträume von Mietern besonders geschützt sind und ohne Freigabe keine Bilder daraus vermarktet werden dürfen. Eigentümer stehen hier in einer Abwägung: Einerseits sind aussagekräftige Bilder für den Verkauf hilfreich, andererseits haben Mieter ein berechtigtes Interesse, ihr Zuhause vor ungewollter öffentlicher Zurschaustellung zu bewahren. Praxisgerecht ist es, bereits im Vorfeld klare Vereinbarungen mit den Mietern zu treffen (ggf. sogar im Mietvertrag Regelungen über Besichtigungen und Fotos bei Verkaufsabsicht aufzunehmen).
- Für Mieter: Mieter einer zum Verkauf stehenden Wohnung sollten ihre Rechte kennen. Innenaufnahmen der bewohnten Räume dürfen nicht ohne Zustimmung der Mieter erfolgen. Bewohner können eine Foto-Erlaubnis verweigern oder nur unter Bedingungen (etwa Unkenntlichmachen persönlicher Gegenstände) erteilen. Wenn dennoch Fotos ihrer Wohnung veröffentlicht werden, haben Mieter gemäß DSGVO Anspruch auf Auskunft über die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten. Sie können vom Makler u.a. Informationen darüber verlangen, welche Bilder/Daten gespeichert wurden, zu welchem Zweck und an wen sie weitergegeben wurden. Zudem können Mieter die Löschung der Aufnahmen verlangen, wenn keine gültige Einwilligung vorliegt. Wurden ohne Einwilligung Fotos veröffentlicht und entsteht den Mietern daraus ein persönlicher Schaden, lässt das Urteil erkennen, dass grundsätzlich ein immaterieller Schadensersatz (Schmerzensgeld) möglich ist. Allerdings müssen Mieter für einen solchen Anspruch einen konkreten Nachteil darlegen können – ein allgemeines Unwohlsein reicht nicht aus. Wichtig zu wissen ist auch: Wer den Makler vorbehaltlos in die Wohnung lässt, gibt damit faktisch sein Einverständnis zur Fotografie und Veröffentlichung. Mieter sollten sich daher vorab überlegen, ob und in welchem Umfang sie Aufnahmen zulassen wollen, und dies klar kommunizieren.
Praxistipp
Das Urteil des OLG Zweibrücken verdeutlicht einmal mehr, dass Datenschutz im Mietverhältnis und bei Immobiliengeschäften keine Nebensache ist. Makler und Vermieter können nicht einfach nach Belieben Fotos von bewohnten Wohnungen veröffentlichen, ohne die Rechte der Mieter zu beachten. Gleichzeitig haben Mieter effektive Rechte, um sich gegen ungewollte Blicke ins Private zu wehren, müssen aber auch aktiv ihre Einwilligung verweigern, wenn sie keine Aufnahmen wünschen.
Praxistipp: Alle Beteiligten tun gut daran, frühzeitig das Gespräch zu suchen. Makler und Vermieter sollten vor dem Fotografieren einer Mietwohnung unbedingt die Zustimmung der Mieter einholen – idealerweise schriftlich – und die Mieter transparent über den Zweck der Fotos und deren Verwendung (Online-Exposé, Flyer etc.) informieren. So lässt sich ein rechtssicheres Exposé erstellen, ohne die Persönlichkeitsrechte der Bewohner zu verletzen. Mieter wiederum sollten wissen, dass sie Innenaufnahmen nicht dulden müssen. Wer keine Fotos seiner Privaträume im Internet sehen möchte, sollte dies deutlich kommunizieren oder Bedingungen vereinbaren. Auf diese Weise können teure Rechtsstreitigkeiten vermieden werden, noch bevor sie entstehen.
(OLG Zweibrücken, Urteil vom 09.12.2025 – Az. 5 U 82/24)