Landgericht Köln: Kein Anspruch auf höhere Nutzungsentschädigung nach zwei Jahren

06. September 2025 -

Landgericht Köln, Az.: 6 S 122/23, Beschluss vom 04.09.2025 – In diesem Fall des Landgerichts Köln ging es um eine Wohnraum-Mietstreitigkeit nach Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter hatte einen Teil der Mietkaution einbehalten und forderte darüber hinaus weitere Zahlungen vom Mieter. Im Berufungsverfahren stellte das Landgericht Köln klar, dass der Vermieter keine weiteren Ansprüche mehr geltend machen kann – weder eine höhere Nutzungsentschädigung (also eine Art „Miete“ für verspätete Rückgabe der Wohnung) noch weitere Beträge wegen in der Wohnung zurückgelassener Gegenstände. Das Gericht beabsichtigte daher, die Berufung des Vermieters zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO). Nachfolgend erklären wir die Hintergründe und Gründe dieser Entscheidung in verständlicher Form.

Worum ging es in dem Fall?

Der Mieter (im Verfahren Kläger und Berufungsbeklagter) hatte nach Mietende seine Wohnung geräumt, aber mit Verzögerung die Schlüssel zurückgegeben und einige Gegenstände – insbesondere eine kleine Küchenzeile – in der Wohnung hinterlassen. Der Vermieter (Beklagter und Berufungskläger) rechnete die Kaution ab und behielt mehrere Posten ein. Konkret verlangte er vom Mieter bzw. zog von der Kaution ab:

  • € 179,- für die Demontage der Küche, die der Mieter zurückgelassen hatte (Kosten für die Entfernung der Küchenzeile).
  • € 272,50 für Restmiete Mai 2019, die der Mieter noch schuldete.
  • € 182,37 als Nachzahlung aus der Nebenkostenabrechnung 2018 (offene Betriebskosten).
  • € 208,30 als Nutzungsentschädigung für kurze Zeiträume nach Mietende (für den 01.–02.06.2021 sowie 08.–15.08.2021, in denen die Wohnung noch nicht vollständig zurückgegeben war).

Nach dieser Abrechnung verblieb ein Rest der Kaution von € 540,76, den der Vermieter nicht auszahlen wollte. Der Mieter klagte daher auf Rückzahlung dieses Betrags. Außerdem hatte der Vermieter widerklagend weitere Forderungen geltend gemacht (unter anderem eine noch höhere Nutzungsentschädigung).

Das Amtsgericht Köln gab dem Mieter Recht und verurteilte den Vermieter, die € 540,76 plus Zinsen an den Mieter zu zahlen. Die Widerklage des Vermieters wurde abgewiesen. Dagegen legte der Vermieter Berufung zum Landgericht Köln ein. In der Berufung begründete er zusätzliche Ansprüche – insbesondere forderte er nun erstmals eine Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete (Marktmiete), also höher als die vereinbarte Miete, und wollte eine Verlängerung des entschädigungspflichtigen Zeitraums wegen der zurückgelassenen Küche erreichen.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln

Das Landgericht Köln stellte durch seinen Beschluss vom 04.09.2025 klar, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Zivilkammer 6 wies darauf hin, dass sämtliche relevanten Forderungen des Vermieters bereits berücksichtigt worden waren und keine weiteren Ansprüche bestehen. Insbesondere wurde entschieden:

Verwirkung: Kein Anspruch auf höhere Nutzungsentschädigung nach langer Wartezeit

Der Vermieter konnte im Berufungsverfahren nicht nachträglich eine höhere Nutzungsentschädigung (über die vereinbarte Miete hinaus, z.B. auf Basis der ortsüblichen Vergleichsmiete) verlangen. Das Gericht stufte diesen Anspruch als verwirkt ein. Verwirkung bedeutet im juristischen Sinne, dass ein Recht verloren geht, wenn der Berechtigte es über längere Zeit nicht geltend macht und besondere Umstände hinzutreten, die beim Verpflichteten den Eindruck erwecken, er müsse mit der Erfüllung dieses Anspruchs nicht mehr rechnen.

Im vorliegenden Fall waren seit Ende des Mietverhältnisses und der Entstehung eines etwaigen Anspruchs auf höhere Nutzungsentschädigung über zwei Jahre vergangen, ohne dass der Vermieter je Anspruch auf mehr als die vereinbarte Miete erhoben hatte. Erst in der Berufungsbegründung hat der Vermieter überhaupt einen Vorbehalt oder ein Verlangen nach Marktmiete für die Nutzungsentschädigung geäußert. Das Gericht sah darin das erforderliche Zeitmoment für die Verwirkung gegeben – eine ungewöhnlich lange Untätigkeit in Bezug auf diesen Anspruch.

Hinzu kamen Umstände, die das Vertrauen des Mieters schützenswert machten. Der Vermieter hatte nämlich während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens und schon außergerichtlich immer nur die vertraglich vereinbarte Miete als Entschädigung gefordert (z.B. in der Kautionsabrechnung und Klageerwiderung war nie von einer höheren Marktmiete die Rede). Kein einziges Mal wurde ein Vorbehalt formuliert, dass er sich eine Nachforderung über die normale Miete hinaus vorbehalte. Dadurch durfte der Mieter davon ausgehen, dass keine weiteren Forderungen mehr kommen. Das Landgericht wertete dieses Verhalten als sogenanntes Umstandsmoment der Verwirkung – es begründet das Vertrauen des Mieters, der Vermieter werde sein Recht auf höhere Zahlungen nicht mehr ausüben.

Das Ergebnis: Der Anspruch auf eine über die reguläre Miete hinausgehende Nutzungsentschädigung war verwirkt. Der Vermieter konnte daher nicht nachträglich die ortsübliche Miete für die Zeit des verspäteten Auszugs verlangen. Zur Einordnung: Grundsätzlich darf ein Vermieter zwar anstelle der vereinbarten Miete auch die ortsübliche Miete als Nutzungsentschädigung verlangen, wenn diese höher ist. Allerdings muss er dieses Recht dann auch zeitnah geltend machen. Wartet er zu lange und verhält sich so, dass der Mieter auf das Ausbleiben weiterer Forderungen vertrauen durfte, geht der Anspruch verloren. Das Landgericht Köln folgte hier im Kern der Rechtsprechung anderer Gerichte, u.a. des Landgerichts Berlin, das in einem ähnlichen Fall eine Verwirkung nach 2½ Jahren angenommen hatte.

Rückgabe der Wohnung: Zurückgelassene Gegenstände rechtfertigen keine verlängerte Nutzungsentschädigung

Ein weiterer Streitpunkt war, für wie lange der Vermieter Nutzungsentschädigung verlangen kann. Das Amtsgericht hatte dem Vermieter für zwei kurze Zeiträume eine Entschädigung zugesprochen – nämlich bis zur endgültigen Schlüsselrückgabe Anfang Juni 2021 und nochmals für eine Woche im August 2021 (weil der Mieter zwischenzeitlich die Schlüssel zurückerhalten hatte, wohl um Restgegenstände zu holen). Darüber hinaus begehrte der Vermieter eine Entschädigung für eine längere Zeit, da der Mieter ja noch Gegenstände (die kleine Küche) in der Wohnung belassen hatte.

Das Landgericht stellte klar, dass der Rückgabezeitpunkt der Wohnung im Wesentlichen durch die Schlüsselübergabe bestimmt wird. § 546a Abs. 1 BGB erlaubt dem Vermieter eine Entschädigung, solange der Mieter die Mietsache vorenthält, also nicht herausgibt. „Vorenthalten“ bedeutet: der Mieter hat die Rückgabepflicht nicht erfüllt und dies geschieht gegen den Willen des Vermieters. Hier hatte der Mieter nach dem 15.08.2021 keine Schlüssel mehr und der Vermieter konnte wieder über die Wohnung verfügen – die Wohnung galt als zurückgegeben, obwohl noch ein paar Gegenstände darin standen.

Das Gericht führte aus, dass zur ordnungsgemäßen Rückgabe zwar grundsätzlich die vollständige Räumung der Wohnung gehört (alle Gegenstände entfernen) und die Überlassung aller Schlüssel an den Vermieter. Allerdings ist nicht jede kleine Nachlässigkeit bei der Räumung gleichbedeutend mit einem weiteren Vorenthalten der Mietsache. Entscheidend ist, ob der Vermieter trotz verbleibender Gegenstände die Wohnung schon wirtschaftlich nutzen oder weitervermieten kann. Sind nur einzelne Gegenstände in geringem Umfang zurückgeblieben, liegt oft kein relevantes Vorenthalten mehr vor. Der Mieter hat dann zwar seine Pflicht schlecht erfüllt, aber im Ergebnis die Wohnung übergeben. Der Vermieter muss solche liegengebliebenen Sachen ggf. entsorgen, kann dafür aber höchstens Schadenersatz verlangen, nicht weiter „Miete“.

Im vorliegenden Fall bewertete das Landgericht Köln die zurückgelassene Küchenzeile als nicht gravierend genug, um die Rückgabe der Wohnung in Frage zu stellen. Warum? Die Küche bestand nur aus wenigen Teilen – laut Fotos zwei kleine Schränke, ein Herd und eine Spüle – und war nicht fest eingebaut. Sie nahm also keinen großen Raum ein und konnte relativ leicht entfernt werden. Tatsächlich hat der Vermieter die Entfernung auch für nur € 179,- durchführen lassen, was auf geringen Aufwand hindeutet. Eine solche kleinere Hinterlassenschaft steht der vollständigen Rückgabe nicht entgegen, so das Gericht. Der Vermieter hatte nach Schlüsselübergabe unmittelbaren Besitz an der Wohnung und konnte theoretisch frei darüber verfügen. Dass er sich noch um die Entsorgung der Küche kümmern musste, macht die Rückgabe nicht unwirksam – hierauf kann der Vermieter statt mit weiterer Nutzungsentschädigung eben nur mit Schadensersatz wegen Schlechterfüllung reagieren. Diese Sichtweise entspricht der Mietrechtspraxis: Bleiben nur einzelne Gegenstände zurück und sind alle Schlüssel übergeben, gilt die Rückgabepflicht im Grunde als erfüllt – ein Vorenthalten liegt nicht mehr vor. Nur wenn in erheblichem Umfang Sachen zurückbleiben (die Wohnung also z.B. noch voll möbliert ist), kann man von Teilräumung sprechen und ggf. weitere Nutzungsentschädigung verlangen.

Folglich verneinte das Landgericht jegliche weitere Nutzungsentschädigung über die bereits vom Amtsgericht anerkannten Zeiträume hinaus. Der Anspruch des Vermieters nach § 546a BGB endete mit der endgültigen Rückgabe der Schlüssel am 02.06.2021 bzw. 15.08.2021. Die nach diesen Daten noch verbliebenen Gegenstände (hier: die Küche) führten nicht zu einer Verlängerung der zahlungspflichtigen Vorenthaltung.

Kein weiterer Schadenersatz oder Wertersatz für zurückgelassene Küche

Abschließend prüfte das Gericht, ob dem Vermieter wegen der zurückgelassenen Küche darüber hinaus ein Schaden entstanden ist, der zu ersetzen wäre – z.B. entgangene Mieteinnahmen oder eine Art Nutzungsentschädigung über das Mietrecht hinaus. Hier verneinte die Kammer jedoch weitere Ansprüche.

Der Vermieter hatte bereits den Entsorgungsaufwand ersetzt bekommen (die € 179,- für die Demontage). Weitere Schäden durch die Kücheneinrichtung waren nicht zu erkennen. Insbesondere stellte das Gericht klar, dass kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812, 818 BGB) auf Nutzungsersatz besteht. In einem aktuellen Urteil hatte der BGH entschieden, dass ein Vermieter in solchen Fällen allenfalls einen Wertersatz für die tatsächliche Nutzung verlangen kann – aber nicht automatisch die volle Monatsmiete. Maßgeblich ist der tatsächliche Nutzen, den der Mieter aus der Wohnung noch zieht. Wenn die Wohnung etwa nur als Lager für zurückgelassene Möbel dient, ist dieser Nutzungswert deutlich geringer als der einer Wohnnutzung. Im BGH-Fall vom Juni 2025 wurde daher nur Ersatz der üblichen Lagerkosten zugesprochen, nicht der ganzen Miete.

Im hiesigen Fall sah das Landgericht jedoch keinen Raum für weitere Forderungen: Der Mieter hatte vorgetragen, er habe die Küche bewusst für einen Nachbarn in der Wohnung gelassen (der Interesse an einer Übernahme hatte). Schließlich hat der Vermieter selbst die Küche entfernt – ihm sind dadurch keine Lagerkosten erspart geblieben, die er dem Mieter anlasten könnte. Außerdem konnte der Vermieter nicht darlegen, dass er die Wohnung ohne die Küche schneller vermietet hätte oder dass ihm durch die paar Tage bis zur Entfernung Miete entgangen wäre – unstreitig blieb die Wohnung zunächst unvermietet, selbst nachdem die Küche entfernt war. Somit scheiden sowohl ein weiterer Schadensersatzanspruch als auch ein Bereicherungsanspruch wegen der Küchensache aus. Der Rückzahlungsanspruch des Mieters auf die Kaution musste also nur um die berechtigten Abzüge gemindert werden – weitere Abzüge kamen nicht in Betracht.

Für Vermieter zeigt dieser Fall deutlich: Wenn man nach Mietende eine Nutzungsentschädigung über die vereinbarte Miete hinaus (z.B. basierend auf der höheren Marktmiete) verlangen will, sollte man dies frühzeitig und ausdrücklich geltend machen. Tut man das erst Jahre später, läuft man Gefahr, dass dieser Anspruch verwirkt und nicht mehr durchsetzbar ist. Ebenso sollte ein Vermieter bei längerer Vorenthaltung rechtzeitig Vorbehalte anmelden, um keine falschen Vertrauenstatbestände zu schaffen.

Für Mieter ist die Entscheidung beruhigend: Wer nach Mietende zwar mit etwas Verzögerung räumt und vielleicht kleinere Gegenstände zurücklässt, muss nicht automatisch endlos Nutzungsentschädigung zahlen. Wichtig ist, dem Vermieter alle Schlüssel zurückzugeben und damit deutlich zu machen, dass man die Wohnung nicht weiter nutzen will. Kleine verbleibende Mängel bei der Rückgabe (z.B. ein Möbelstück oder – wie hier – eine einfach zu entfernende Küche) berechtigen den Vermieter zwar unter Umständen zu Schadensersatz (für Entsorgung etc.), aber nicht zu weiterer „Miete“ für die Zeit nach der Schlüsselübergabe. Allerdings sollten Mieter möglichst alles Wichtige aus der Wohnung entfernen, um gar nicht erst Streitpunkte aufkommen zu lassen.

Dieser Rechtstipp verdeutlicht anhand des konkreten Falls (LG Köln, Beschluss vom 04.09.2025 – 6 S 122/23), wie Gerichte die Grenzen der Nutzungsentschädigung ziehen: Ansprüche rechtzeitig anmelden und sauber zurückgeben – dann bleiben böse Überraschungen aus. Bei Unsicherheiten ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um seine Rechte im Mietverhältnis zu wahren.