In diesem Fall hatte die Mieterin einer Hamburger Drei-Zimmer-Wohnung zwei Mängel gemeldet: Eine kaputte Steckdose im Flur und ein qualmendes Cerankochfeld in der Küche. Der Vermieter wollte die angezeigten Mängel überprüfen, stieß dabei aber auf Widerstand der Mieterin. Schließlich musste er vor Gericht ziehen und erwirkte per Urteil das Recht auf eine Wohnungsbesichtigung von 30 Minuten – notfalls allein oder mit einer elektrotechnisch fachkundigen Person. Dieses Gerichtsurteil begründete eine klare Duldungspflicht der Mieterin, also die Verpflichtung, die Besichtigung des Mangels in diesem Umfang zu ermöglichen.
Trotz des rechtskräftigen Urteils ließ die Mieterin den Vermieter dann aber nur zehn Minuten in die Wohnung und schränkte die Besichtigung drastisch ein: In einem Schreiben untersagte sie ihm sogar ausdrücklich, die defekten Gegenstände zu berühren („Sie dürfen die Steckdose und das Ceranfeld ansehen, aber nicht anfassen.“). Der Vermieter brach den Termin daraufhin verärgert ab und sprach umgehend eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus.
Die Mieterin akzeptierte die Kündigung nicht, weshalb der Vermieter auf Räumung der Wohnung klagte. Noch bevor das Verfahren richtig in Gang kam, lenkte die Mieterin ein und räumte die Wohnung freiwillig. Der Vermieter nahm daraufhin die Räumungsklage zurück, verlangte jedoch von der Mieterin Ersatz der angefallenen Anwaltskosten für die Kündigung – rund 1.200 €. Es ging im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg (Az. 49 C 237/24, Urteil vom 04.07.2025) also letztlich darum, ob die fristlose Kündigung berechtigt war und ob die Mieterin dem Vermieter die Kosten der Kündigung (als Schadensersatz) erstatten musste.
Entscheidung und Begründung des Gerichts
Das Amtsgericht Hamburg stellte sich auf die Seite des Vermieters und gab seiner Klage vollumfänglich statt. Die fristlose Kündigung wurde als gerechtfertigt angesehen, weil die Mieterin durch ihr Verhalten eine schwerwiegende Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten begangen hatte. Konkret hat sie die Auflagen aus dem vorherigen Gerichtsurteil missachtet, indem sie die gerichtlich zugesicherte Besichtigungszeit eigenmächtig von 30 auf 10 Minuten verkürzte und dem Vermieter nur eine rein optische Begutachtung erlaubte. Damit hat sie das gesetzliche Besichtigungsrecht des Vermieters gröblich vereitelt. Zur Einordnung: Wenn ein Mieter einen Mangel meldet, ist der Vermieter verpflichtet, der Sache nachzugehen und berechtigt, den Mangel in der Wohnung zu besichtigen – diese Pflicht der Duldung hat die Mieterin hier grob verletzt. Nach Ansicht des Gerichts war es entscheidend, dass die Mieterin sich wissentlich über ein rechtskräftiges Urteil hinweggesetzt hat, anstatt ihre Pflichten zu erfüllen. Ein solcher Vertrauensbruch machte dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar, sodass ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung (§ 543 BGB) vorlag.
Ein weiterer rechtlicher Aspekt betraf den Schadensersatzanspruch des Vermieters für die angefallenen Anwaltskosten. Das Gericht bejahte auch diesen Anspruch. Aufgrund der Pflichtverletzung der Mieterin – hier das Nichtbefolgen der gerichtlich angeordneten Duldung der Besichtigung – habe der Vermieter einen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens nach § 280 Abs. 1 BGB. Dazu zählten in diesem Fall die Kosten für den Rechtsanwalt, den der Vermieter zur Vorbereitung und Aussprache der Kündigung eingeschaltet hatte. Vereinfacht gesagt: Hätte die Mieterin das Urteil befolgt und die Besichtigung ordnungsgemäß ermöglicht, wären diese Kosten gar nicht entstanden. Daher muss sie dem Vermieter nun die rund 1.200 € Anwaltskosten erstatten.
Das Amtsgericht hat in seiner Urteilsbegründung unmissverständlich klargemacht, dass die Nichtbeachtung eines gerichtlichen Titels eine besonders gravierende Form der Vertragsverletzung darstellt. Selbst wenn die tatsächliche Besichtigung nur ein paar Minuten gedauert hat – für die rechtliche Bewertung war das unerheblich. Entscheidend war die Prinzipienfrage, dass die Mieterin die Autorität des Gerichtsentscheids ignoriert und dem Vermieter das ihm zustehende Recht beschnitten hat. Dieses Verhalten wiegt so schwer, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietvertrags nicht mehr zugemutet werden konnte. Folglich war die fristlose Kündigung rechtmäßig und die Mieterin haftet dem Vermieter gegenüber auf Schadensersatz.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil des AG Hamburg vom 04.07.2025 ist ein deutliches Warnsignal an Mieter, gerichtlich bestätigte Vermieterrechte nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ignoriert ein Mieter eine klare Duldungspflicht, die sogar gerichtlich tituliert wurde, darf der Vermieter konsequent reagieren. Bereits der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass ein Vermieter bei der Verletzung von Duldungspflichten nicht allein auf gerichtliche Durchsetzung (etwa Zwangsgeld nach § 890 ZPO) verwiesen ist, sondern unter Umständen auch fristlos kündigen darf, sofern die Verletzung schwerwiegend genug ist. Die Hamburger Entscheidung bestätigt dies und zeigt in aller Deutlichkeit: Wer als Mieter die vom Gericht auferlegte Besichtigung vereitelt, muss damit rechnen, eine fristlose Kündigung ins Haus zu bekommen.
Für die Praxis bedeutet das einerseits, dass Vermieter bei hartnäckiger Verweigerungshaltung eines Mieters nicht endlos Geduld haben müssen – sie können nach angemessener vorheriger Rechtsdurchsetzung (z.B. einem Duldungsurteil) den Mietvertrag beenden, um weiteren Schaden abzuwenden. Andererseits zeigt das Urteil auch, dass Mieter gut beraten sind, kooperativ zu sein, insbesondere nach einer gerichtlichen Entscheidung. Eine eigenmächtige Einschränkung von gerichtlich erlaubten Maßnahmen ist rechtlich hoch riskant. Stattdessen sollten Mieter den Dialog suchen, wenn sie Bedenken haben, anstatt Anordnungen einfach zu unterlaufen. Insgesamt stärkt das Urteil die Position der Vermieter bei der Durchsetzung berechtigter Besichtigungs- und Reparaturansprüche, macht aber auch klar, dass Mieter durch unvernünftiges Verhalten ihre Mietwohnung und zusätzlich Geld verlieren können.
Tipps für Mieter
- Gerichtliche Auflagen strikt einhalten: Wenn ein Gericht Ihnen z.B. eine halbstündige Wohnungsbesichtigung auferlegt, müssen Sie diese vollständig gewähren. Ignorieren oder verkürzen Sie solche Vorgaben keinesfalls, da dies als schwerer Verstoß gewertet wird.
- Mängelanzeige verpflichtet zur Kooperation: Haben Sie dem Vermieter einen Mangel gemeldet, müssen Sie ihm die Untersuchung und Behebung des Problems ermöglichen. Verhindern Sie nötige Inspektionen nicht – der Vermieter hat ein berechtigtes Interesse und sogar einen rechtlichen Anspruch darauf, den Schaden zu begutachten.
- Risiko von fristloser Kündigung bedenken: Verweigern Sie wichtige Termine oder behindern Sie Reparaturen, riskieren Sie eine fristlose Kündigung des Mietvertrags. Im vorliegenden Fall musste die Mieterin erfahren, dass ein derartiges Verhalten unmittelbar den Wohnungsverlust bedeuten kann.
- Kommunikation statt Konfrontation: Wenn Sie Vorbehalte gegen eine Besichtigung haben (etwa Sorge vor Beschädigungen oder Privatsphärebedenken), sprechen Sie diese an und suchen Sie nach einer einvernehmlichen Lösung. Komplett zu blockieren oder eigenmächtig Bedingungen zu diktieren (wie „nur gucken, nicht anfassen“) ist der falsche Weg und vor Gericht nicht haltbar.
- Professionellen Rat einholen: Im Zweifel sollten Sie rechtzeitig Rechtsrat suchen (z.B. Mieterverein oder Anwalt), bevor Sie eine Anordnung ignorieren. So können Sie verstehen, welche Rechte der Vermieter hat und welche Pflichten Sie haben, um nicht versehentlich gegen den Mietvertrag oder gerichtliche Entscheidungen zu verstoßen.
Tipps für Vermieter
- Dokumentation und gerichtliche Titel nutzen: Stellen Sie bei Mietern, die Besichtigungen oder Reparaturen verweigern, zunächst sicher, dass Sie alles dokumentiert haben (Schriftverkehr, Zeugen etc.). Scheuen Sie sich nicht, bei hartnäckiger Weigerung eine Duldungsklage anzustrengen. Ein gerichtlicher Titel – wie im besprochenen Fall – schafft eine klare Rechtsgrundlage und erhöht die Erfolgsaussichten bei einer anschließenden Kündigung.
- Fristlose Kündigung bei schwerer Pflichtverletzung: Wenn ein Mieter trotz Gerichtsurteil nicht kooperiert oder in gravierender Weise seine Pflichten verletzt, steht Ihnen das Recht zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung zu. Sie sind nicht verpflichtet, endlos auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu setzen; bei erheblichem Verstoß ist die Kündigung zulässig. Prüfen Sie aber immer die Verhältnismäßigkeit und lassen Sie sich im Zweifel anwaltlich beraten, ob die Schwelle zur schwerwiegenden Pflichtverletzung überschritten ist.
- Abmahnung in weniger klaren Fällen: Außergerichtlich sollte in vielen Fällen zunächst eine Abmahnung erfolgen, also eine schriftliche Warnung an den Mieter, das vertragswidrige Verhalten zu unterlassen, andernfalls drohe die Kündigung. Im hier entschiedenen Fall war eine Abmahnung entbehrlich, da das Fehlverhalten (Missachtung eines Gerichtsurteils) offenkundig und schwerwiegend war. In weniger eindeutigen Situationen stärkt eine vorherige Abmahnung Ihre Position für eine rechtmäßige Kündigung.
- Schadensersatz geltend machen: Scheuen Sie sich nicht, Ihren Schaden zu beziffern und vom Mieter einzufordern, wenn dieser seine Pflichten verletzt. Im vorliegenden Urteil wurde dem Vermieter der Ersatz der Anwaltskosten zugesprochen, die durch die Kündigung entstanden sind. Das zeigt, dass Sie Ausgaben, die wegen vertragswidrigen Verhaltens des Mieters nötig wurden, zurückverlangen können. Dokumentieren Sie solche Kosten und machen Sie sie geltend (notfalls gerichtlich).
- Besonnen vorgehen: Trotz der Ihnen zustehenden Rechte sollten Sie stets verhältnismäßig handeln. Suchen Sie das Gespräch, bevor die Situation eskaliert, und lassen Sie sich juristisch beraten. Eine gerichtliche Auseinandersetzung und fristlose Kündigung ist meist das letzte Mittel. Wenn sie aber unumgänglich wird, zeigt dieses Urteil, dass die Gerichte Vermietern in Extremfällen den Rücken stärken – nutzen Sie dieses Mittel dann entschlossen und gut vorbereitet.